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Warum eine Hochzeitsreise Ihrer Reputation gefährlich werden kann

Sie stehen als Entscheider bei Transformationsprozessen immer im Feuer. Denn Sie machen Zusagen. Gegenüber der Geschäftsleitung. Gegenüber Investoren. Den Banken. Von Ihnen wird erwartet, dass Sie liefern. ,Der Organisationsumbau wird bis zum 31.12.XX abgeschlossen …’, „Die Kosten sind bis zum Mai folgenden Jahres um den und den Prozentsatz reduziert …’, Ab Tag X ist das neue Produkt am Markt …’ – und je ambitionierter die Zusagen sind, die Sie machen und erreichen, umso besser ist das für Ihre Reputation. 

Kein Wunder, dass sich leidenschaftliche Entscheider ambitionierte Ziele setzen. Kein Wunder, dass viele Entscheider sich dadurch in Erklärungsnot bringen und die Finger verbrennen. Denn viel zu oft übersehen sie etwas Wesentliches – und dann kann schon mal eine Hochzeitsreise ihnen die Reputation kosten.

Reputation und Realismus

In Transformationsprojekten sind die strukturellen und finanziellen Auswirkungen groß. Die Themen sind vielschichtig, ja komplex, und das Konfliktpotenzial hoch. Deswegen ist ein klarer Blick auf die Gegebenheiten, ein hoher Informationstand über alle relevanten Faktoren so wichtig. Weil Sie nur dann realistisch den Zeitbedarf einschätzen können – bevor Sie ambitionierte Zusagen machen. Es ist für Sie, wenn Sie Ihre Reputation nicht aufs Spiel setzen wollen, immens wichtig, im Bilde zu sein.

Aber gerade in den Projekten, bei denen es um Personalumbaumaßnahmen geht, erlebe ich es immer wieder, dass die zeitlichen Ziele nicht ausreichend realistisch eingeschätzt werden. 

Dann werde ich in ein Unternehmen gerufen, weil es brennt, und dann heißt es: „Schön, dass Sie hier sind. Nun können wir ja zügig mit den Verhandlungen starten.“ Und der erste Termin steht schon an, bei dem alle an einem Tisch sitzen sollen, einschließlich des Betriebsrates, und es stellt sich heraus: es fehlen Unterlagen. „Ach die sind schnell beschafft. Ich rufe kurz den Herrn Meier an, der hat das unter sich.“ – und dann ist der Herr Meier im Urlaub und niemand sonst kommt an die Daten ran … Kommt leider häufiger vor, als Sie vielleicht annehmen.

Oder denken Sie an ein komplexes Digitalisierungsprojekt. An einem entscheidenden Schräubchen muss noch gedreht werden, bevor es in die nächste Phase kann. Das macht Frau Müller … – und die ist leider krank.

Reputation und Ambitionen

Das Durchdenken von Szenarien ist für Sie ein wichtiges Moment, um ein erfolgreicher Entscheider zu sein. Weil Sie sich dann eben nicht von der Urlaubszeit überraschen lassen, weil Sie Faktoren in Ihr Timing einbeziehen, von denen Ihre Erfahrung sagt, dass sie wichtig sind. Weil Sie dann eben nicht von Herrn oder Frau Schmidt überrascht werden, die auf Hochzeitsreise sind. Oder auch, weil Sie die Ressourcen, die Ihnen zur Verfügung stehen, realistisch einschätzen – und frühzeitig Mittel für eine externe Unterstützung freigegeben.

Was ich allerdings auch häufiger erlebe, ist, dass bei Entscheidern die Ambitionen über den Realismus auf eine Weise siegen, dass am Ende alle verlieren. So wie in diesem Projekt, in dem der Geschäftsführer das Ziel ausgegeben hat, die Personalkosten um 30 Prozent zu reduzieren, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. Dieses Ziel sollte nicht durch Personalabbau erreicht werden, sondern durch andere Einsparmöglichkeiten, vor allem durch eine Absenkung der tarifvertraglichen und betrieblichen Leistungen, also Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Zuschläge, etc. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft waren extrem hart, aber dann erfolgreich: Es konnte eine Senkung des Personalaufwands um 25 Prozent erreicht werden. Aber dem Geschäftsführer reichte es nicht. Er bestand auf seinem Ziel. 30 Prozent und keinen Deut drunter. Das Unternehmen rauschte in die Insolvenz, weil der Entscheider ein unrealistisches Ziel setzte, in diesem Fall kein zeitliches, sondern ein quantitatives. Weil der Entscheider den Realismus aus dem Blick verlor. Weil er das Gespür für das Machbare verlor.

Und leider sind solche Szenarien viel zu oft Alltag. Ambitionen sind wichtig. Sie sind ein guter Treibstoff, um erfolgreich unterwegs zu sein. Können aber auch zu einem veritablen Brandbeschleuniger werden, den Sie nicht brauchen können, wenn Sie im Feuer stehen. 

Sie sollten also über Ihre ambitionierten Ziele nicht den Realismus vergessen, der das Zünglein an der Waage eines nachhaltigen Erfolges und gut für Ihre Reputation ist. Einer Reputation, die wächst, weil Ihren Zusagen vertraut werden kann. Weil Sie, Ihre Vision vor Augen, ein realistisches Ziel nach dem nächsten erreichen.

Lothar Hoss

Reputation und Ambition - Lothar Hoss